Das Betriebsverfassungsgesetz stellt ein abgestuftes System an Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechten zur Verfügung. In der Literatur haben sich mehrere Systematiken etabliert, etwa die Unterscheidung Informations-, Beratungs-, Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte.
Wir bei perspektiven haben uns für die Systematisierung
1 – Unterstützende Berechtigung
2 – Formale Berechtigung
3 – Mitbestimmung
entschieden. Diese ist nach unserer Meinung die übersichtlichste Unterscheidung und erleichtert gerade Anfängern das Verständnis des Gesetzes. Zu den „unterstützenden Berechtigungen“ gehören die Informationsrechte (z. B. in § 80 Abs. 2 BetrVG). Danach muss der Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über alle Angelegenheiten informieren, die für die Arbeit des BR von Belang sein können.
Eine unterstützende Berechtigung ist auch das Recht, für bestimmte Fragen Sachverständige einschalten zu können (§ 80 Abs. 3 BetrVG). Die Bestimmungen über Kosten und Sachaufwand, nach denen der Arbeitgeber alle Kosten der Betriebsratsarbeit zu tragen hat, gehören ebenso zu den unterstützenden Berechtigungen wie das Recht auf Aus- und Weiterbildung (§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG – ausführlich informiert hierüber unser Fachartikel „Mit Sicherheit zur Freistellung fürs Seminar“). Auch das Recht auf Freistellungen – für eine bestimmte Aufgabe oder auf Dauer – gehört zu den unterstützenden Berechtigungen (§§ 37 Abs. 2 und 38 BetrVG).
Diese Rechte sind die Grundlage eines arbeitsfähigen Betriebsrats. Deshalb hat der Gesetzgeber für die unterstützenden Berechtigungen Durchsetzungsmöglichkeiten vorgesehen, das heißt, der Betriebsrat kann sie im Streitfalle vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Bei den „formalen Berechtigungen“ hat der Betriebsrat das Recht, zu Vorhaben des Arbeitgebers „Ja“ oder „Nein“ zu sagen – er kann jedoch nicht inhaltlich gestalten.
Beispiele:
- Bei Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen und Versetzungen kann der BR seine Zustimmung unter bestimmten Bedingungen verweigern (§ 99 BetrVG). Sein Nein kann aber durch das Arbeitsgericht aufgehoben („ersetzt“) werden.
- Bei Kündigungen kann der BR widersprechen (§ 102 BetrVG). Der Widerspruch verhindert die Kündigung zwar nicht. Aber die Rechtsposition des betroffenen Kollegen wird positiv beeinflusst.
„Formal“ ist diese Art der Berechtigung deshalb, weil sich der Betriebsrat peinlich genau an die Formalien halten muss, die in den §§ 99 bzw. 102 BetrVG benannt sind: Er muss die Schriftform und eine bestimmte Frist einhalten und darf darüber hinaus seine Entscheidung nur mit den gesetzlich vorgesehenen Begründungen untermauern. Formal heißt nicht unwichtig! Hier nimmt der BR Einfluss auf Personalentscheidungen und kann u. a. den Kolleginnen und Kollegen helfen, die von einer Kündigung bedroht sind.
Mitbestimmung: Das stärkste Recht des BR
Das Kernstück der Betriebsverfassung und stärkstes Recht des Betriebsrats ist die echte Mitbestimmung. Hier begegnen sich Betriebsrat und Arbeitgeber im wahrsten Sinne des Wortes auf Augenhöhe. In einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit hat der Betriebsrat die Möglichkeit, alle Bedingungen eines unternehmerischen Vorhabens inhaltlich mit zu gestalten. Mehr noch: In einigen Fällen, z. B. bei der Arbeitszeit, bei Urlaubsgrundsätzen oder Gehalts- bzw. Prämienregelungen, kann der Betriebsrat von sich aus eine Veränderung des Status Quo verlangen (Initiativrecht). Als wichtigste echte Mitbestimmungsrechte sind die 13 in § 87 BetrVG beschriebenen Sachverhalte von Ordnung des Betriebes über Arbeitnehmerüberwachung, Arbeitszeit, Überstunden und Gesundheitsschutz bis zu Fragen der betrieblichen Lohngestaltung zu nennen. Auch bei der betrieblichen Aus- und Weiterbildung hat der Betriebsrat mehr Macht, als allgemein bekannt – nämlich Mitbestimmung (§ 98 BetrVG). Besonders anspruchsvoll und konfliktträchtig ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 112 BetrVG: Hier wird die Aufstellung des Sozialplans, z. B. bei Massenentlassungen, geregelt.
Bei der Mitbestimmung gelten folgende Grundsätze:
- Der Arbeitgeber muss sich zunächst mit dem Betriebsrat einigen. Handelt er doch einseitig, so ist dies rechtswidrig und kann vom BR, in vielen Fällen sogar per Einstweiliger Verfügung, untersagt werden.
- Wenn sich BR und Arbeitgeber nicht einigen, so kann eine so genannte „Einigungsstelle“ gerufen werden, die vermitteln soll oder am Ende entscheidet („die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt“, wie es das Gesetz in § 87 Abs. 2 BetrVG formuliert).
- Wenn der BR es wirklich will, kommt es in jedem Falle zu einer Regelung – über eine Einigung oder eine Einigungsstelle. Diese Regelung wird in einer Betriebsvereinbarung festgehalten. Diese wird dann geltendes Recht im Betrieb.
Alles über diese Rechte lernen Sie in unseren
Basis-Seminaren hier:
Basis I – Grundlagen der Betriebsverfassung
Damit beginnt alles. Gewinnen sie einen Überblick über das Betriebsverfassungsgesetz, die Aufgaben und Pflichten des BR und wie Sie als BR-Mitglied geschützt sind. mehr …
Basis II – Mitwirkung und Mitbestimmung
Das vielleicht wichtigste Seminar der Basis-Reihe: Wie der Betriebsrat durch geschickte Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte das betriebliche Geschehen effektiv zu Gunsten der Arbeitnehmer mitlenkt. mehr …
Basis III – Personalplanung und personelle Maßnahmen
Aufgrund welcher Kriterien beschäftigt der Arbeitgeber wie viel Personal? Und wie handelt der BR richtig, damit es bei Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen und Umgruppierungen gerecht zugeht? mehr …
Basis IV – Kündigung und Kündigungsschutz intensiv
Einem Kollegen soll gekündigt werden – das ist eine schwierige Situation. Was kann der Betriebsrat tun? Wie schützt er den Betreffenden vor einer ungerechtfertigten Kündigung? Wie verhält sich der BR rechtlich korrekt? mehr …
Basis V – Interessenausgleich und Sozialplan
Das Notfall-Programm: Der Arbeitgeber will Personal abbauen, eine Abteilung oder einen Standort schließen oder auslagern oder der Betrieb wird stillgelegt: Jetzt muss der BR einen Sozialplan abschließen – doch wie genau? mehr …
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