Gehaltsaffäre: Wer ist verantwortlich, wenn

der BR-Vorsitzende zu viel Geld bekommt?

on 28. August 2018 Arbeitsgericht, BetrVG with 0 comments

Zwei Betriebsratsmitglieder sollen begünstigt worden sein. Der Arbeitgeber soll begünstigt haben. Und das ist nach § 78 BetrVG verboten. Betriebsräte dürfen nicht „geschmiert“ werden. Doch war es, wonach es aussieht? Und wer ist schuld? Ein hoch interessanter Streit bei der Ruhrbahn in Essen. Und ein Fall für den Staatsanwalt.

Der Arbeitgeber hat die Gehälter des BR-Vorsitzenden und eines weiteren BR-Mitgliedes einfach beträchtlich gekürzt und verlangt darüber hinaus mehr als 10.000 € angeblich zu viel gezahlten Gehaltes zurück. Dagegen wehren sich die Arbeitnehmervertreter vor dem Arbeitsgericht in Essen. Im Hintergrund schwelt der Vorwurf der Begünstigung von BR-Mitgliedern.

Im Jahr 2015, vor einer Fusion zweier Verkehrsbetriebe zur heutigen Ruhrbahn, hatten die beiden bei ihrem damaligen Arbeitgeber einen riesigen Gehaltssprung gemacht. Die damalige Gehaltserhöhung sei unangemessen gewesen, entschied der heutige Arbeitgeber. Dabei bezieht er sich auf ein Rechtsgutachten. Danach hätte der Vorstand des damaligen Arbeitgebers die BR-Mitgliedern vertraglich um drei Entgeltstufen höhergruppiert – ohne jeden fachlichen Anlass.

Doch als aufmerksame Beobachter der Betriebsräte-Szene und Kenner des Betriebsverfassungsrechts fragen wir uns, welche Vorwürfe den BR-Mitgliedern überhaupt gemacht werden können. Ein Arbeitnehmer, ob BR-Mitglied oder nicht, kann sich schließlich nicht selbst neu eingruppieren, sondern er wird eingruppiert. Wenn Arbeitnehmervertreter dies vom Arbeitgeber verlangt haben sollten, und wenn sie dieses Verlangen mit einem Versprechen für eine arbeitgeberfreundlichere Betriebsratsarbeit verknüpft hätten – dann wäre dies ein Fall von Amtsmissbrauch. Andere Möglichkeit: Der Arbeitgeber bietet die Höhergruppierung an und „bezahlt“ damit für kriecherisches Betriebsratsverhalten. Beides wäre Korruption bzw. Bestechung. Ob davon etwas zutrifft, ermittelt die Staatsanwaltschaft. Denn, sollte es zutreffen, wäre das eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden kann (§ 119 Abs. 3 BetrVG).

Doch ver.di-Sekretär Rainer Sauer bezeichnet das Vorgehen der Ruhrbahn als ein „Stück aus dem Tollhaus“ und sicherte den BR-Mitgliedern die volle Solidarität der Gewerkschaft zu. Und für die Rechtsvertreterin eines der Kläger, Brigitte Röttger vom DGB Rechtsschutz, „sieht das Ganze danach aus, dass man bei der Ruhrbahn einen unliebsamen Arbeitnehmer loswerden will“.

Wir sind gespannt, wie diese Auseinandersetzung im Herbst weiter geht.

 

Was bedeutet dieser Fall für die Betriebsratsarbeit?

Auszug aus § 37 BetrVG:

(4) Das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats darf einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Dies gilt auch für allgemeine Zuwendungen des Arbeitgebers.

(5) Soweit nicht zwingende betriebliche Notwendigkeiten entgegenstehen, dürfen Mitglieder des Betriebsrats einschließlich eines Zeitraums von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nur mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die den Tätigkeiten der in Absatz 4 genannten Arbeitnehmer gleichwertig sind.

Diese Vorschriften betreffen die Sicherung der beruflichen Entwicklung und des Entgelts von Betriebsratsmitgliedern. Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Zuweisung einer höherwertigen Tätigkeit, wenn vergleichbare Arbeitnehmer eine entsprechende Karriere machen.

War dem Betriebsratsmitglied in Folge der Betriebsratstätigkeit die berufliche Entwicklung jedoch nicht möglich, so hat es zwar keinen Anspruch auf die Zuweisung der entsprechenden beruflichen Tätigkeit aber, und jetzt kommt es: Ihm steht das Arbeitsentgelt der vergleichbaren Arbeitnehmer zu, welche inzwischen die höherwertigen Tätigkeit ausüben. Sonst wären BR-Mitglieder wegen ihrer BR-Tätigkeit benachteiligt, was verboten ist.

So kann es durchaus sein, dass ein BR-Mitglied von der Qualifikation für einen Job profitiert, den es nie antritt. Wie im Essener Fall, wo der Arbeitgeber die Höhergruppierung vorgenommen hatte – sofern keine Bestechung oder Vorteilsnahme vorliegt. Wenn doch, dann gilt:

§ 119 Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer (…)

3. ein Mitglied oder ein Ersatzmitglied des Betriebsrats (…) um ihrer Tätigkeit willen benachteiligt oder begünstigt.

 

Das Seminar zum Thema:

Basis I – Grundlagen der Betriebsverfassung
27.– 30. November 2018, relaxa Hotel Bellevue Hamburg

In diesem Seminar ist der Schutz der BR-Mitglieder, unter anderem in dem beschriebenen Fall der beruflichen Entwicklung, eines der Themen.