Bundesarbeitsgericht zur Verwertung von

Video-Beweisen bei fristloser Kündigung

on 28. August 2018 Arbeitsgericht, BetrVG with 0 comments

Will der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen Diebstahls fristlos kündigen, so muss dies zeitnah nach der festgestellten Tat erfolgen. Entgegen diesem Grundsatz bestätigte das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (Foto) eine „Fristlose“ als rechtmäßig ein halbes Jahr nach der Tat, weil der Arbeitgeber erst zu diesem Zeitpunkt ein Videoband ausgewertet hatte.

Dabei kommt es allerdings darauf an, so die obersten Erfurter Arbeitsrichter, ob die Speicherung von Bildsequenzen rechtmäßig erfolgt ist. Dann nützt der Zeitablauf nichts, und die Pflichtverletzung kann arbeitsrechtlich geahndet werden.

Das BAG berichtet in seiner Pressemitteilung Nr. 40/18 vom 23.8.2018:

Die Klägerin war in einem von dem Beklagten betriebenen Tabak- und Zeitschriftenhandel mit angeschlossener Lottoannahmestelle tätig. Dort hatte der Beklagte eine offene Videoüberwachung installiert. Mit den Aufzeichnungen wollte er sein Eigentum vor Straftaten sowohl von Kunden als auch von eigenen Arbeitnehmern schützen.

Nach dem Vortrag des Beklagten wurde im 3. Quartal 2016 ein Fehlbestand bei Tabakwaren festgestellt. Bei einer im August 2016 vorgenommenen Auswertung der Videoaufzeichnungen habe sich gezeigt, dass die Klägerin an zwei Tagen im Februar 2016 vereinnahmte Gelder nicht in die Registrierkasse gelegt habe. Der Beklagte kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich fristlos.

Die Vorinstanzen haben der dagegen gerichteten Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Erkenntnisse aus den Videoaufzeichnungen unterlägen einem Verwertungsverbot. Der Beklagte hätte die Bildsequenzen unverzüglich, jedenfalls deutlich vor dem 1. August 2016 löschen müssen.

Auf die Revision des Beklagten hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Berufungsurteil hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Sollte es sich – was der Senat nach den bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann – um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt haben, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG (alte. zum Tatzeitpunkt gültige Fassung) zulässig gewesen und hätte dementsprechend nicht das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin verletzt.

Der Beklagte musste das Bildmaterial nicht sofort auswerten. Er durfte hiermit solange warten, bis er dafür einen berechtigten Anlass sah. Sollte die Videoüberwachung rechtmäßig erfolgt sein, stünden auch die Vorschriften der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Datenschutz-Grundverordnung einer gerichtlichen Verwertung der erhobenen personenbezogenen Daten der Klägerin im weiteren Verfahren nicht entgegen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. August 2018 – 2 AZR 133/18 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 20. Dezember 2017 – 2 Sa 192/17 –

 

Was bedeutet dies für die Betriebsratsarbeit?

Im vorliegenden Fall handelte es sich um einen Betrieb ohne Betriebsrat. Bei vernünftiger Nutzung der Mitbestimmungsrechte kann es in einem Betrieb mit Betriebsrat nicht zu einer solchen Rechtsunsicherheit kommen. Davor schützt § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Darin heißt es

„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
(…)
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;“

Auf dieser Grundlage kann der BR eine Betriebsvereinbarung verlangen, die

  • Videoüberwachung entweder grundsätzlich ausschließt oder
  • Eindeutig regelt, wofür die Aufzeichnung verwendet und nach welcher Zeit sie gelöscht werden müssen.

 

Das Seminar zum Thema:

Basis II – Mitwirkung & Mitbestimmung 
18. – 21. Februar 2019, relaxa Hotel Bellevue Hamburg

In diesem Seminar sind die Mitbestimmung, unter anderem in dem beschriebenen Fall des Datenschutzes, sowie der Abschluss von Betriebsvereinbarungen die Kernthemen.