Gedanken zum Tode von
Marie-Luise Hauch-Fleck

on 21. September 2016 Uncategorized with 0 comments
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Marie-Luise Hauch-Fleck †
Foto: Nicole Sturz (mit Genehmigung des Zeit-Verlages)

Marie-Luise Hauch-Fleck, langjährige Betriebsratsvorsitzende des Zeit-Verlages, ist am 9. September gestorben. Sie war nach der Gründung des perspektiven-Instituts vor 20 Jahren eine unserer ersten Teilnehmerinnen und bis zuletzt eine unserer treuesten Klientinnen – und eine profilierte BR-Vorsitzende, die Spuren hinterließ.
Ein Nachruf von Tina Groll.

Sie war eine entschlossene Arbeitnehmervertreterin. Angetrieben von dem Wunsch nach mehr Gerechtigkeit in der Arbeitswelt und zwischen den Geschlechtern, geprägt von einer unerschütterlichen Haltung agierte die Wirtschaftsjournalistin Marie-Luise Hauch-Fleck in den vielen Jahren als Betriebsratsvorsitzende der ZEIT und später auch als Gesamtbetriebsratsvorsitzende von ZEIT und ZEIT ONLINE mit Weisheit, Gelassenheit und oft nüchterner Sachlichkeit.

Die Beschäftigten wussten mit ihr eine kluge Frau an der Spitze der Arbeitnehmervertretung, die bisweilen der Zeit und auch der ZEIT voraus war. Sie liebte den Diskurs und scheute keine Auseinandersetzung. Dabei brachte sie sich mit Herz und Verstand ein, denn alles, was sie tat, tat sie mit Nachdruck und Überzeugung. Eine Debatte mit ihr bedeutete immer, sich auseinanderzusetzen. Im Zweifel vielleicht auch mit den eigenen Ängsten, Sorgen, Emotionen. Scheinargumente und Ausflüchte ließ sie nicht gelten. Das machte sie vielleicht nicht immer beliebt, aber ihre unbequeme Ehrlichkeit war etwas, auf das man zählen konnte. Und damit gab sie dem Gegenüber immer die Chance, gemeinsam mit ihr zu wachsen. Stets blieb sie respektvoll, aber auch ein wenig streng – und fürsorglich sowie gütig.

Marie-Luise Hauch-Fleck hatte Haltung und Mut. Sie liebte die ZEIT und den Journalismus. Mit Missständen konnten sie sich nicht abfinden. Und so setzte sie sich mit Herzblut und Leidenschaft für die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Sie nahm den Arbeitgeber in die Pflicht, trotzte ihm Veränderungen im Sinne der Beschäftigten ab und war auch immer ein Stachel im Fleisch. Dafür wurde sie respektiert.

Marie-Luise war eine Linke, aber eine Liberale. Sie machte nie einen Hehl um ihre politische Haltung. Sie war, wie sie es selbst nannte, ein „politisches Ur-Vieh“. Und daher setzte sie sich dem Konflikt mit dem Arbeitgeber und dessen „Liebesentzug“ voll aus, nahm dabei keine Rücksicht auf sich selbst, wenn es um die Interessen der Schwächsten im Unternehmen ging. Dabei hatte sie indes auch einen Blick für den wirtschaftlichen Zusammenhang – und für das Wohl des Unternehmens.

Wie wohl kaum eine andere Betriebsratsvorsitzende konnte Marie-Luise Hauch-Fleck Bilanzen lesen und verstehen – und sie verstand die wirtschaftlichen Interessen sehr wohl. Das stand für sie aber nicht im Widerspruch mit einer fairen Verteilung.

Als Journalistin wie auch als Arbeitnehmervertreterin liebte sie die tiefe Analyse, die über den Tag hinausging. Mit großem Weitblick war sie auch die Geburtshelferin des Betriebsrats von ZEIT ONLINE. Für uns war sie eine Mentorin, eine wichtige Ratgeberin und so oft auch eine mütterliche Freundin, die immer ansprechbar war.

Sie hatte noch viele Pläne, wollte noch so viele Artikel und ein Buch schreiben. Und sich als Journalistin aktiv in den öffentlichen Diskurs zur Verteilungsgerechtigkeit einbringen. Gerade erst plante sie für ZEIT ONLINE ein großes Stück über das Rentensystem. Und sie wusste: Ihre Expertise als Betriebsrätin war immer noch gefragt.

Und manchmal ist eine Geschichte noch mitten in der Geschichte einfach aus. Völlig unerwartet ist Marie-Luise Hauch-Fleck  am 9. September im Alter von 65 Jahren verstorben. Viel zu früh. Über ihrer Todesanzeige steht „Aus die Maus“ – diese lapidare Feststellung mag irritieren. Aber sie war eine Realistin. Und sie liebte skurrile Todesanzeigen.

Wir haben eine wichtige Beraterin, eine Mitstreiterin, eine Vertraute und eine gute Kollegin verloren. Aber ihr Geist wird fortleben. Dafür sorgte sie nicht zuletzt auch, indem sie die Betriebsräte unseres Hauses mit dem perspektiven-Institut zusammenbrachte. Aus der Zusammenarbeit entstand das scheinbar Unmögliche: ein Tarifvertrag für die ausgegründete Online-Tochter. Und das ist gerade erst der Anfang.

Wir danken Dir, Marie-Luise Hauch-Fleck. R.I.P., Love and Revolution!

 

tinagroll
Tina Groll ist BR-Vorsitzende bei Zeit online in Berlin und GBR-Vorsitzende der
Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG. Sie leitet das Karriere-Ressort bei Zeit online.